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Touch Rugby in Leuna

Autor: Joerg-Christian Schillmoeller
Fotos: Dirk Gebhardt

20. August 2015

Leuna = Chemie. Die Gleichung gilt bis heute. Vor fast 100 Jahren hat BASF hier das erste Ammoniak für den Kriegssprengstoff hergestellt, später wird Braunkohle zu Leuna-Benzin verflüssigt. Zu DDR-Zeiten steigt das Werk um auf russisches Erdöl und versorgt West-Berlin mit Kraftstoff. Bis zu 28.000 Menschen arbeiten damals in Leuna. Abgas und Abwasser erreichen Rekordwerte. Nach der Wende privatisiert die Treuhand-Anstalt das quadratkilometergroße Gelände, und die Leuna-Schmiergeld-Affäre macht jahrelang Schlagzeilen. Seither mühen sich Städtchen und Standort, ein neues Image zu finden. 9.000 Menschen arbeiten heute auf dem alten Werksgelände – und sie machen auch Sport. Die Belegschaft der Total-Raffinerie spielt jeden Montag um 17.30 Uhr Touch Rugby. Im gemischten Team.

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Pierre-Yves findet Ostdeutschland großartig. Auf die Frage, wie es ihm hier gefällt, sagt er „sehr, sehr, sehr“. Dreimal sehr. Das Leben sei einfach cooler als im Westen. Einfach und familienfreundlich. Die Menschen seien entspannter, die Natur weit und grün und schön. Pierre-Yves lebt in Leipzig und arbeitet in Leuna, und wenn er „Touch!“ ruft, klingt das wie „Tötsch!“ Normal für einen Franzosen. Pierre-Yves trainiert das Touch-Rugby-Team der Total Raffinerie in Leuna.

Es ist kurz nach halb sechs auf dem Trainingsgelände des SG Spergau. Spätnachmittagssonne, sehr warm. Die Raffinerie mit der Skyline aus Metallzylindern liegt ein paar Kilometer weiter, rund um das Spielfeld stehen Bäume, an einem davon hängen süße, dunkle Kirschen. 14 Menschen laufen einem weißen Rugby-Ei hinterher, die Hälfte trägt gelbe Leibchen. Die Frauen und Männer werfen Pässe, sie schlagen sich gegenseitig ab, sie bücken sich und rollen das Ei von vorne durch die Beine nach hinten zum nächsten Spieler. Und sie rufen laut „Touch!“

Touch Rugby ist Rugby ohne Prügeln. Das Tackling – der Körpereinsatz mit Wucht – fällt weg. Stattdessen muss man den Angreifer, der mit dem Ei heranstürmt, einfach berühren. Das ist der „touch“. Sechs Stück dürfen sich die Angreifer einfangen. Haben sie das Ei dann immer noch nicht hinter die Torlinie gebracht, ist das andere Team dran.

Die Belegschaft von Total trainiert einmal die Woche. Je gemischter das Team, desto besser, denn dafür gibt es „Diversitätspunkte“ beim Konzern-Turnier. Das findet jedes Jahr in Frankreich statt, immer im Herbst an einem der Standorte. Dann reisen die Teams der Total-Raffinerien und der petrochemischen Anlagen an und spielen gegeneinander. Im Leuna-Team sind Frauen und Männer, Franzosen und Deutsche, junge und erfahrene Mitarbeiter, auch die Hautfarben sind unterschiedlich. Godfred ist 27, stammt aus Frankreich, hat Wurzeln in Ghana und ist schwarz. Ein paar Freunde daheim schauten ungläubig, als er entschied, nach Ostdeutschland zu gehen.

„Sie meinten, das könnte kompliziert werden. Also dass ich auf nicht so sympathische Leute stoße.“ Diplomatisch formuliert. Godfred ist seit eineinhalb Jahren hier, und passiert ist gar nichts. Er mag den Osten, er mag ihn genauso gern wie Pierre-Yves. „Ich habe nur supernette Menschen getroffen“, sagt er. Godfred ist 27. Er hat an einer Elite-Universität in Rennes studiert und arbeitet bei Total in der Finanzkontrolle. Privat wohnt er in einer Vierer-WG, zusammen mit einem Schweizer, einem Spanier und einem Deutschen. Die Umgangssprache ist Deutsch, das haben die vier vereinbart. Godfreds Deutsch klingt gut.

Das Training läuft, und Pierre-Yves triezt die 14 Total-Mitarbeiter. „Weiter, weiter“, ruft er. „Und zurück, und noch einmal, komm, komm, komm.“ Godfred, Cindy, Anke, Hardy und Stefan laufen hin und her. Cindy, die Technische Zeichnerin. Anke, die Assistentin für Sicherheit, Umwelt und Qualität. Hardy, der Bereichsleiter Sicherheit. Stefan, der Pressesprecher.

Touch Rugby Training

Stefan ist groß und hat meistens ein Lachen im Gesicht. Seine Raffinerie vertritt er mit Hingabe, und es geraten ihm nur selten die typischen PR-Sätze dazwischen wie „Wir arbeiten täglich daran, dass…“ Fröhlich erzählt er, dass sich die Teams beim Turnier in Frankreich verkleiden. Total Leuna ging letztes Jahr als Team „Super-Minol“ mit Cape – benannt nach dem DDR-Kraftstoff Minol (Total kaufte einst das Tankstellennetz). Der Leiter der britischen Total-Raffinerie kam schonmal als König, seine Mitarbeiter als Knappen.

Leuna, das sind 100 Jahre deutsche Industriegeschichte. Leuna bringt Erfindergeist und Umweltsünde an einem Ort zusammen. Am Anfang hat das Werk in Leuna Ammoniak hergestellt, nicht nur für Dünger. Sondern auch für Salpeter und Salpetersäure. Aus beiden Stoffen ist zwei Kriege lang Sprengstoff hergestellt worden. Das Leuna-Werk wird damals Teil der IG Farben.

Stefan Möslein über das Schiff Raffinerie.

Besonders bekannt war die Herstellung von „Leuna-Benzin“, erst in der Weimarer Republik, später im NS-Regime. Das Verfahren nennt sich Kohlehydrierung. Das wurde zwar auf Dauer unwirtschaftlich, aber es war ein Weg, ohne Erdöl auszukommen – in gewisser Weise also hochaktuell. Damals wurde Braunkohle aus dem benachbarten Geiseltal verflüssigt. Millionen Tonnen. Jedes Jahr. Bis die DDR auf russisches Erdöl umstieg.

Leuna wird im Zweiten Weltkrieg zerbombt, demontiert und später wieder aufgebaut. Das Werk wird Eigentum der DDR und heißt „VEB Leuna-Werke Walter Ulbricht“. Das riesige Industriegelände ist irgendwann bis zum Rand vollgebaut, die Gebäude tragen Nummern in der Reihenfolge ihres Baus. In Spitzenzeiten, sagt Werner Popp, haben sie hier 14.000 Tonnen Kohle am Tag verbrannt. Die Menge der Abgase kann sich nur der vorstellen, der sie erlebt hat. Werner Popp hat es erlebt.

Wir treffen ihn in einem der wenigen historischen Gebäude. Es ist 250 Meter lang und entstand zwischen den Weltkriegen. Ein Trumm von Zentrale, sehr rechtwinklig, sehr trutzig und sehr kernsaniert. „4310“ heißt es heute. Früher – nach der alten Nummerierung – war es die 24. Viele in Leuna kennen es noch als „Bau 24“, und über dem Eingang hängt das alte Logo: Ein rauchender Schornstein und eine Ähre. Werner Popp ist Jurist und kennt das Gebäude seit 1978. Damals fing er als Jurist in Leuna an, heute ist er Prokurist und leitet den Bereich „Recht, Einkauf, Behördenmanagement“ bei der „InfraLeuna“. Das ist die neue Eigentümerin und Betreiberin des Geländes.

Werner Popp ist ein höflicher Mensch, er spricht ruhig und gewählt. Auf Betreiben des Generaldirektors hat er 1990 erreicht, dass der Name „Walter Ulbricht“ aus dem Firmennamen verschwindet. Gar nicht so leicht. Werner Popp musste beim Minister für Schwerindustrie vorsprechen, einen Firmennamen kann man nicht so einfach ändern. Auch dann nicht, wenn „Walter Ulbricht“ drinsteckt. Mit dem Machtwort des Ministers war es leichter beim Handelsregister.

Werner Popp über die Arbeiter in Leuna.

Werner Popp stammt aus dem Oberen Vogtland in Sachsen und wollte immer Chemiker werden. Als 15-Jähriger geht er zu den Buna-Werken nach Schkopau, nicht weit von Leuna. Ausbildung mit Fachabitur. Er ist schockiert, desillustioniert, mehr als das. Das Lehrlingswohnheim liegt direkt neben der Karbid-Fabrik, das ist mehr Lärm, Schmutz und Gestank als er ertragen kann. „Das war ein negativer Aha-Effekt“, sagt er. „Der Neuschnee war am nächsten Tag grau.“ Werner Popp vollzieht eine 180-Grad-Wende – so nennt er selbst es. Er studiert Jura in Halle, Schwerpunkt Wirtschaftsrecht. DDR-Recht?

„Nicht nur“, sagt er. „Ich wurde zwar am ZGB ausgebildet, dem Zivilgesetzbuch der DDR, aber auch am westdeutschen BGB. Später in Leuna hatten wir auch den Schönfelder“, sagt er. Schönfelder: die Lose-Blatt-Sammlung deutscher Gesetze, damals ein Muss für jeden Jurastudenten im Westen. Werner Popp arbeitet in Halle in einer wissenschaftlichen Einrichtung, aber das ist ihm bald zu langweilig. Ein Kommilitone fragt ihn, ob er ins Justiziariat nach Leuna gehen mag. Hmmm, doch wieder Chemie? Aber er macht es, fängt am 1.5.1978 im Justiziariat der VEB Leuna-Werke an, damals mit neun Juristen.

DDR-Alltag in Leuna. Millionen Tonnen Rohöl werden zu Kraftstoff gemacht, zu Ausgangsstoffen für die Chemie-Industrie, hier werden Kunststoffe hergestellt, es sind mehr als 400 Produkte. Die Arbeiter kommen mit dem Zug, mit dem Bus, sie werden abgeholt, sie kommen aus Merseburg, Halle, Leipzig, aus dem Burgenlandkreis, aus Zeitz, aus Weißenfels. Viele wohnen vor allem in Halle-Neustadt, und die Bahnhöfe in Leuna sind vor Schichtbeginn und nach Schichtende schwarz von Menschen. „Das war durchorganisiert“, sagt Werner Popp, „dass die Arbeiter alle pünktlich an- und abtransportiert wurden.“

Werner Popp erlebt den Verfall von Leuna. Irgendwann wird nicht mehr investiert, es geht nur noch um den puren Erhalt, „einfache Reproduktion“ heißt das in der Regime-Sprache. Kein Wachstum mehr, kein Ausbau. Die Belastung der Umwelt bleibt extrem hoch. Noch 1989 entnimmt die VEB fast 300 Millionen Kubikmeter Wasser aus der Saale – heute ist es laut Werner Popp weniger als ein Zehntel, und die Schadstoffbelastung hat um 95 Prozent abgenommen.

In der Wendezeit arbeitet Werner Popp 14, 15 Stunden am Tag. Er kommt um halb vier morgens nach Hause und sitzt um halb sieben wieder im Büro. Was tun mit einem schwerfälligen, mit einem riesenhaften Koloss von Standort? Werner Popp will Stellen erhalten, so viele wie es geht. „Wir Alt-Leunesen haben in den Neunziger Jahren etwas naiv darum gekämpft, dass die Firmen in den Verträgen auch Arbeitsplatzverpflichtungen eingehen“, sagt er. Mit der Zeit, meint er, haben wir  dann gelernt, dass es wenig bringt, unrealistische Forderungen zu stellen.

Stück für Stück werden die Geschäftsbereiche privatisiert: Der Linde-Konzern steigt ein, dann Elf Aquitaine – und bald kocht die Leuna-Affäre hoch. Sie ist bis heute nicht ganz aufgeklärt, es geht um Schmiergelder in Millionenhöhe, es ist sehr viel darüber geschrieben worden. Vielleicht am spannendsten liest sich das Buch von Eva Joly, der französischen Untersuchungsrichterin, die während der Ermittlungen Morddrohungen erhielt. In Frankreich werden Manager verurteilt, in Deutschland nicht. Auch keine Politiker.

Auch Werner Popp musste vor den Untersuchungsausschuss, der direkt in Leuna tagt. „Das war ein ganz vernünftiges Gespräch“, sagt er, „und die haben wohl auch nicht ernsthaft geglaubt, viel von uns zu erfahren.“ Irgendwann hat es ihn genervt, dass er – egal wo er hinkam – immer auf die Leuna-Affäre angesprochen wird. Für ihn, so sagt er es, war die Affäre eine Nebensache. Die Hauptsache waren aus seiner Sicht die Arbeitsplätze. Um die zwei Drittel der Stellen gehen verloren, die Zahl der Beschäftigten sinkt von 28.000 auf 9.000. Viele Freunde von Werner Popp verlieren ihre Stelle. Er bleibt. 1997 zieht er nach Leuna. Er wohnt bis heute dort.

Seit 1996 verwaltet die „InfraLeuna“ den riesigen Standort. Sie ist Eigentümerin und Betreiberin zugleich. 40 Kilometer Straßen, das Gelände ist noch immer eine Stadt. Die InfraLeuna stellt die komplette Infrastruktur bereit, die „Medien“, wie es auf der Internetseite heißt: Energie und Wasser. Sie entsorgt das Abwasser, sie hat ein Analyse-Labor, sie arbeitet als „Low-Profit“-Betrieb, „damit die Investoren sich voll auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können“, sagt Werner Popp.

Einer der Investoren ist Total – jener französische Großkonzern, der aus der Elf Aquitaine hervorging und in Leuna eine komplett neue Raffinerie gebaut hat. Hier arbeiten Pierre-Yves, Godfred, Stefan, Cindy und Anke. Die Menschen vom Touch Rugby.

Es ist bald 21 Uhr, die Sonne steht schon tief. Wir tragen rote Overalls, eine dünne, weiße Papierhaube, darüber einen gelben Helm und an den Füßen Sicherheitsschuhe. Wir haben die große Sicherheitsbelehrung per Video absolviert und den Fragebogen bestanden. Und wir haben uns einen Beeper an den Overall geklemmt, der piept, wenn Schwefelwasserstoff und Kohlenwasserstoffe die Grenzwerte überschreiten. Wir wollen uns eine Raffinerie in Mitteldeutschland anschauen.

Stefan Möslein ist bei uns, der Pressesprecher. Wir stehen vor einem unscheinbaren Flachbau, und er verwendet Metaphern. „Das hier ist das Herzstück, die Messwarte. Hier wird das Schiff gesteuert. Es gibt Lotsen, und es gibt einen Kapitän, den Betriebsleiter vom Dienst.“ Wir lernen sie gleich kennen.

Die Total Raffinerie in Leuna kann zwölf Millionen Tonnen Rohöl im Jahr verarbeiten. Das Öl bezieht sie bis heute zum großen Teil aus Russland. Die Pipeline aus DDR-Zeiten trägt ironischerweise den Namen Družba, „Freundschaft“. Und daran hält Konzernchef Patrick Pouyanné fest. Erst im Juni 2015 erklärt er: „Total ist fest entschlossen, die Entwicklung seiner Aktivitäten in Russland voranzutreiben.“ Genauso klang sein Vorgänger Christophe de Margerie.

Auch Pressesprecher Stefan Möslein findet klare Worte: „Was ich spüre, ist eine hohe Verlässlichkeit auf beiden Seiten. Das war früher da, das ist heute da. Deutschland ist abhängig von russischem Erdöl, und wir wollen diese partnerschaftlichen Verbindungen weiter nutzen.“ So klingt Konzernpolitik, auch das ist Realität im Deutschland der erneuerbaren Energien.

Stefan Möslein hat oft über diese Themen gesprochen. Energieeffizienz, ökologischer Fußabdruck, Sicherheitsstandards: Seinen Worten ist anzumerken, dass er innerlich immer ein bisschen die Fäuste oben haben muss. Eine Raffinerie steht per Definition unter Rechtfertigungsdruck. Diese Pipeline aus Russland ist ein starkes Bild dafür, das mir nicht aus dem Kopf geht. In diesem Bild stecken viele Paradoxien des Jahres 2015.

Stefan Möslein zeigt uns den „Affenfelsen“. So heißt der Raum mit Computern vor der Glasscheibe zur Messwarte. Auf diesen Rechnern kann jeder Besucher sehen, was in der Raffinerie passiert, aber nichts verändern. Die heißen Rechner sind die hinter der Scheibe. Hier wird die Raffinerie gefahren, das macht der Betriebsleiter vom Dienst, der BvD. Destillation, Hydrierung, Entschwefelung, Logistik und Verladung. Auf den Monitoren sind Symbole, Linien, Zahlen, Daten. Wolfgang Brüggemann kennt sie alle. Er lebt in Oebles-Schlechtewitz, ein paar Kilometer Richtung Süden, auch er arbeitet seit Jahrzehnten in Leuna.

Für ihn ist das Arbeiten hier Familientradition. Seine Eltern und Großeltern haben es ihm vorgemacht, auch sie waren bei den Leuna-Werken, und er selbst hat ein Leben lang „in Reichweite“ gewohnt. 1974 Lehre, Armee, Chemiestudium in Merseburg, später Schichtleiter in der Methanol-Anlage (sie steht bis heute und gehört nun Total). Seit 2004 ist er BvD, Betriebsleiter vom Dienst, einer von sechs in der Raffinerie.

Und wie denkt er über Russland? Er zögert nicht. „Viele Ostdeutsche haben da nicht die offizielle Meinung der Bundesrepublik“, sagt er. „Ich sehe das zum Beispiel nicht so, dass Russland nur der schlimme Aggressor ist. Ich sehe auch, dass sie eigene Interessen verteidigen.“ Er schiebt noch einen Satz hinterher: „Über die Mittel kann man natürlich streiten.“

Die letzte Stunde in Leuna verbringen wir draußen. Die Raffinerie braust in der Dämmerung, große Bienen attackieren uns in der zunehmenden Dunkelheit, kleine Hubschrauber, es ist nicht klar, ob sie von der Farbe oder dem gut gewaschenen Geruch der roten Overalls angezogen werden. Geduldig fliegen sie vor unsere Schutzbrillen, sie sind schlecht abzuschütteln.

Am Ende dürfen wir doch nicht ganz tief hinein zwischen die Rohre und Ventile. Ein Schichtleiter dieses Teils der Anlage hat Bedenken. Dafür kommt Juliane Hippe mit. Sie ist 25 und arbeitet drinnen und draußen, drinnen als Messwartenfahrerin, draußen als Anlagenfahrerin. Den Schichtdienst stecke ich ganz gut weg, sagt sie, als wir neben ihr in einer der Straßen stehen zwischen den Metallsäulen, die eigentlich Kolonnen heißen und in denen die chemischen Prozesse stattfinden. 30, 40, bis zu 70 Meter hoch sind sie, und Juliane Hippe geht da rauf, per Steigleiter.

Juliane macht Rundgänge, wenn sie draußen ist. Sie überprüft Pumpen und Parameter, sie überwacht Reparaturprogramme, sie macht die Abnahme, sie schaut, ob alle Schrauben sitzen. „Als Frau hast Du den doppelten Ansporn“, sagt sie.

Weiter rauscht die Raffinerie, es wird dunkel auf dem Gelände, es soll hier Rehe geben, Füchse, Kaninchen sowieso. Die Leuna-Lightshow hat begonnen. Unzählige Lampen leuchten, es ist eine Kulisse, es ist Industriepoesie. Kurz danach sind wir auf der Autobahn, auf der A 38, die uns von unserer Etappe zurück in den Westen bringt.

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