Die Wetterautobahn
Autor: Joerg-Christian SchillmoellerFotos: Dirk Gebhardt
30. Dezember 2014
Plötzlich ist der Nebel da. Keine fünf Minuten, und die Sicht ist runter auf zehn, fünfzehn Meter. Das ist nicht viel, denn der Rhein ist mehr als 300 Meter breit. Die „Niederrhein“ könnte trotzdem fahren, sie hat Radar und Nebelhorn. Aber gerade zieht ein Frachter vorbei. Das ist „Längsverkehr“, und der hat Vorfahrt vor dem Querverkehr. Dann ist der Fluss frei – und in knapp vier Minuten sind wir drüben. So geht das zwei Stunden lang: hin und her fahren wir, von einem Ufer zum anderen. Denn die drei Fährmänner haben viel zu erzählen. Mit so viel haben wir nicht gerechnet.
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Fähre ZonsNatürlich hat er viel gesehen und kann viele Anekdoten erzählen. Zum Beispiel die von dem Hund, der eines Winters im Auto die Zentralverriegelung herunterdrückte, als sein Frauchen die Scheiben freikratzen wollte. „Und die Stammkunden reden sowieso über alles“, sagt Uwe Nammert. „Job, Familie, Kinder, Freunde.“ Auch Politik. Aber sowas von.
Die Flucht
Als die Mauer fällt, ist er 22 und schaut sich alles im Fernsehen an. Dass es passiert, das findet er gut. Aber ein bisschen hopplahopp sei es gegangen: „Da war nichts geregelt“. Bis heute zahlt Uwe Nammer seinen Solidaritätszuschlag gern. „Solidarität ist immer gut“, sagt er. Illusionen macht er sich keine: Es sei ja wohl von Anfang an klargewesen, dass die Abgabe ewig bleiben werde – angesichts eines Landes, das 40 Jahre lang heruntergewirtschaftet worden sei. Uwe Nammert würde heute sofort in den Osten zurückgehen, wenn es einen Job für ihn gäbe.
Wolfgang Jansen: Wir finden kaum Personal.
Nach seinen Worten gibt es noch rund 100 Betriebe in Deutschland. Sie verdanken ihr Dasein dem Fehlen von Brücken, denn Brücken sind der Todfeind der Fähre. Bei Wolfgang Jansen arbeiten vier Festangestellte und eine Handvoll Aushilfen, seine Söhne eingeschlossen. Die Nachfolge ist schon geklärt, der Nachwuchs übernimmt den Betrieb. Aber Fährmänner sind schwer zu finden: „Viele wollen in Schichten und am Wochenende nicht arbeiten“, sagt Jansen. Die letzte Stelle hatte er neun Monate lang groß ausgeschrieben, am Ende fand sich der neue Mitarbeiter dann doch über Mund-zu-Mund-Propaganda.Wolfgang Jansen mag Flüsse. Er mag es, dass das Wasser den Rhythmus vorgibt, „und nicht das schnelle Internet“, lacht er. Paul Deumers geht es genauso. „Kein Tag ist gleich bei uns, und keine Fahrt ist wie die andere“, sagt der gebürtige Niederländer. Ihn haben die Liebe und das Geld nach Deutschland gebracht. Früher war seine Antwort auf diese Frage immer die gleiche, und es ist eine sehr männliche Antwort: „Die deutschen Frauen sind schön, und die Mark ist hart.“ Als der Euro kam, war er schon verwurzelt im Nachbarland.
Fehlt noch die netteste aller Fährgeschichten: die vom Großreinemachen. Denn einmal im Jahr ungefähr, da reisen auf der „Niederrhein“ nicht Menschen mit, sondern Schafe. Bis zu 500 Tiere umfasst so eine Herde, und wenn nicht alle draufpassen, werden sie eben in zwei Etappen rübergebracht. Wolfgang Jansen legt immer vorher schon alles raus, was saubermachen kann. Besen, Schläuche, das ganze Programm. Sicher ist sicher.
Das Nebelhorn
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[…] Jörg-Christian – er schreibt nicht nur, sondern arbeitet zudem beim Deutschlandradio, und so hört man die Männer auch sprechen – hat die drei einfühlsam zum Erzählen gebracht, einige nette Anekdoten inklusive. Fotograf Dirk hat die Bilder dazu gemacht. Mehr davon lest und seht Ihr hier. […]