F2Y
Autor: Joerg-Christian SchillmoellerFotos: Dirk Gebhardt
2. April 2015
Irgendwann kommt jeder von ihnen an die Grenze. Physisch oder seelisch. Das bringen Brände und Unfälle mit sich. Die Feuerwehrleute von Korbach wissen das. Sie machen ihre Arbeit aus Überzeugung – und freiwillig. Und sie kennen viele Abkürzungen. Sie fahren im TSF oder im TSF-W zum F2Y oder zum H KLEMM Y. In der Umkleide der Korbacher Feuerwehr stecken die Stiefel immer schon in der Hose, damit man nur noch reinsteigen muss. Wir dürfen auf die Drehleiter, werden beim Probeeinsatz ein bisschen nass und schlafen auf Feldbetten in der Wache.
Etappe:
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Feuerwehr KorbachDie Feuerwehr Korbach hat zwei Standbeine. Das eine ist die Freiwillige Feuerwehr mit insgesamt 430 Männern und Frauen. Das andere ist ein kleiner Eigenbetrieb mit vier hauptamtlichen Mitarbeitern, der sich um Verwaltung, Technik und Wartung kümmert. Das Modell ist einmalig in Hessen und auf Bundesebene eine Seltenheit. Normalerweise ist die Feuerwehr nicht eigenständig, sondern Teil der Kommune – als Abteilung zum Beispiel.
Friedhelm Schmidt ist der Leiter des kleinen Betriebes. Er ist Jahrgang 1957 und hat eine lebenslange Fachbiografie: Jugendfeuerwehr, Schützenverein, Spielmannszug und seit 26 Jahren auch Stadtbrandinspektor. Der Mann redet ohne Schnickschnack, er kennt seine Zahlen, er steht hinter seinem Team. Er ist ein Ur-Feuerwehrmann. Um die 200 Einsätze gibt es jedes Jahr in seinem Einzugsgebiet. Die Brände werden weniger, seit Anfang des Jahres gilt in Hessen die Rauchmelderpflicht für alle Wohnungen. Dafür nehmen die technischen Aufgaben zu: Unfälle, Ölspuren, Personenrettungen.
Für Friedhelm Schmidt ist die Feuerwehr ein gesellschaftliches Bindeglied. „In manchen Orten oder Ortsteilen ist das die einzige noch funktionierende Einheit, sie ist Mädchen für alles, nicht nur für den Kleinbrand. Die Feuerwehrleute sammeln auch gelbe Säcke ein, sie kümmern sich um die Dorfverschönerung.“
Anders als früher steht die Feuerwehr heute viel stärker in Konkurrenz zu anderen Vereinen und Freizeitaktivitäten. „Früher“, sagt Friedhelm Schmidt, „da waren wir in drei, vier Vereinen und hatten auch die Zeit. Heute sind wir froh, wenn wir ein Kind für einen einzigen Verein gewinnen können. Man kann die Kuh nur einmal melken.“ Er lacht, aber das klingt auch nachdenklich. Es gibt schlicht und einfach Nachwuchsprobleme. Bei den Großen, den Einsatzkräften noch nicht – wohl aber bei der Jugendfeuerwehr. Die schulische Belastung ist hoch, die Lücken für Hobbys werden kleiner.
Christina Pfeil ist eine Feuerwehrfrau, von der man sich bedenkenlos retten lassen würde. Es ist abends, kurz nach 19 Uhr. Der Tag war sonnig, aber jetzt ist es draußen sehr kalt. Zeit für das Training. Ich steige zu Christina Pfeil in einen kleinen Metallkorb, wir wollen die Drehleiter ausfahren. Christina ist 26 Jahre alt, ein Jahr älter als die Drehleiter. Es ruckelt, und ich habe wacklige Knie, dabei bin ich mit einem massiven Karabinerhaken am Korb gesichert. Kopfkino.
Friedhelm Schmidt über Nachwuchsorgen.
Wir sind im Abendhimmel von Korbach, ganz weit oben. Über uns leuchtet der Orion, vor uns leuchten in Gold die Kilians- und die Nikolaikirche, unter uns bestrahlen weiße Scheinwerfer den großen Platz vor den Garagen. Christina Pfeil ist Verwaltungsfachangestellte in Kassel und stellvertretende Zugführerin im Gefahrgutzug, der für den ganzen Landkreis zuständig ist. Für Christina eine doppelte Belastung: Sie hat zusätzlich zum Feuerwehrdienst das ganze Wissen über Gefahrstoffe gelernt. Wir fahren wieder runter, ich enthake mich und atme durch.
Was mir auffällt, ist der Teamgeist. Schnelle Absprachen, keine überflüssigen Fragen und Handgriffe. Die Feuerwehrleute arbeiten zügig, schon ist Druck auf dem Schlauch, kurz darauf schießt das Wasser hinaus, eine Gischtwolke stiebt in unsere Richtung, wir werden ein bisschen nass. Auch das Einsatzende kurz danach, das Abbauen, Einrollen, Zuklappen, Reinfahren, Umkleiden – das alles passiert in wenigen Minuten.
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