Deutschland kann so unglaublich hässlich sein. Zum Beispiel auf Bussteig zwei am Kölner Hauptbahnhof, Hinterausgang, Breslauer Platz. Orange Schalensitze, verziert mit schwarzem Edding: Vera&Jasmin“, „wie geht es euch? mir geht es gut?“. Dazu Handynummern, Beleidigungen, das ganze Programm. Was auch auf dem Männerklo in der Kneipe auf den Kacheln stünde.

Über uns ein Hinweisschild, grau und braun vom Taubenkot. „260 Wermelskirchen/Remscheid“ steht da. Unsere Linie. Es ist milchig und kalt draußen, vor uns der weiße Gelenkbus, mit dem wir aufbrechen zu Etappe drei. Um zwanzig nach zwei setzt die Fahrerin ihn in Bewegung. Über uns im Gang ein Bildschirm. Darauf die Haltestellen und Sätze wie: „Sie wollen diesen Bus steuern? Dann kommen Sie als Busfahrer zu uns“. Es gibt vier Kameras hier, die Fahrerin hat sie über sich im Display. Seither weniger Ärger, sagt sie.

Nelly und Philipp sitzen auch da. Nelly liest „Süddeutsche“, beide wollen zur Claudius-Therme auf der anderen Rheinseite. Worüber sprecht ihr, frage ich. „Wir fragen uns, ob wir die Charlie-Hebdo-Ausgabe kaufen sollen, wenn das in Deutschland in die Läden kommt.“ Und, wollen sie? „Nicht mit allen Mitteln“, sagt Nelly. „Meine Solidarität mit den Opfern der Anschläge kann ich ja auch anders zeigen.“ Nelly wird Ärztin, Philip unterrichtet Elektrotechnik am Berufskolleg in Bonn. Ihn ärgert es, dass mit Charlie Hebdo inzwischen Kommerz betrieben wird. Dass die erste Ausgabe nach dem Anschlag bei Ebay für teures Geld versteigert wird.

Deutz-Mülheimer Straße. Leere Fabrikhallen, Wiener Platz. Ein Schwung junger Männer steigt ein. Von-Sparr-Straße – nie gehört, die Haltestelle. Rechts sitzt ein Herr in blauer Jacke, unter sich eine Tüte von Bäcker Merzenich. Dirk erzählt von früher: Er ging einst hier zur Schule, fuhr vom Ebertplatz mit der Bahn nach Köln-Höhenhaus zur Gesamtschule.

Kahle Bäume, es ist kurz vor drei. Ein Kaiser’s, die Berliner Straße. Ein Plakat an einer Hauswand: „Die Welt war noch nie so unfertig. Versüße sie. Das Handwerk“. Darunter Himbeertörtchen, und eine Hand, die Zucker draufstreut. Haltestelle Leuchterstraße, Dünnwald. Pizza König, Bestattungen Kops. Ein Waldstück, rechts Schienen.


Wir kommen nach Schlebusch. Hier werden Doris und Willi aussteigen, zwei Rentner, sie mussten vor acht Jahren aus Köln-Mülheim fortziehen, als ihre Wohnung dort zur Eigentumswohnung gemacht wurde. Ihr Sohn hat ihnen was in Schlebusch besorgt, er lebt auch dort.

Haltestelle Von-Diergardt-Straße. Haltestelle Gezelinallee. Vor uns ein grüner Bagger, in schnörkeliger Jugendstilschrift heißt es „Gebr. Neubert“ auf dem Heck. Wir sind in Fettehenne, das wirklich so heißt. Dirks Rucksack fällt um, ein Mann mit iPhone-Stöpseln im Ohr weist uns freundlich darauf hin.

Der Bus ist jetzt voll, gemischt, schiebt sich die B51 hinaus aus Köln, hinaus aufs Land. Leverkusen-Neuboddenberg, die Gegend öffnet sich. Eine neoromanische Backsteinkirche, die ersten Hügel, rechts Pferde. Burscheid 6km lesen wir. Es ist 15.30 Uhr. Wir sind in Hilgen. Etappe drei beginnt.